Samstag, 1. September 2018

Trolle und Dorsche

So, das war ein langer Tag mit viel zu erzählen - fangen wir an!

Gestern abend hat mich Astrid noch angefunkt "Polarlicht". Bei mir nicht...oder doch? Tatsächlich, über den Nachbarhütten wabert grünes Licht! Wunderschön! Aber es kommen nur wenige Strahlen über den Bergrücken, vielleicht ist ja hinter der Bergnase mehr zu sehen? Es ist kalt und Hägar schläft schon - also Mütze auf und den Drahtesel geschnappt. Hinter der Bergnase ist die nächste Bergnase, der Halbmond strahlt hell und leuchtet mir den Weg. So fahre ich doch bis Evenestangen, in der Hoffnung, hier viel mehr zu sehen. Aber das Schauspiel ist leider schon vorbei. Schade. Und, was lerne ich daraus? Polarlichtjagd ist etwa so, wie zum Ende des Regenbogens fahren!

Die Radtour mitten in der Nacht hat mich wohl müde gemacht - ich schlafe bis nach 9 Uhr morgens. Die Sonne strahlt schon auf das glatte Meer. Ich habe Kopfschmerzen, Zahnschmerzen und diverse Gliederschmerzen. An so einem schönen Tag? Das geht nicht - also einfach ignorieren. Da muss der Körper jetzt durch.
Am Waschbecken im Badezimmer ist schon ein Wasserhahn montiert, aber natürlich noch nicht angeschlossen. Da falle ich jeder Mal herein! Auch heute staubt es nur heraus.
Es ist schon erstaunlich, wie weit man anscheinend hören kann, wenn es so still ist. Ich höre ein Brummen - meine Heizung ist aber aus, die kann es also nicht sein. Der Kühlschrank? Vielleicht. Als ich wieder rausgehe wird das Brummen stärker - ein Schiff! Jetzt kann ich es sehen. Sieht aus wie ein Tanker, ist aber in der Mitte wie eingeschnürt. Das Fernglas lüftet das Geheimnis: es sind 2 aneinander gekoppelte Fischerboote.

Heute rücke ich dem Felsen zu leibe. Mit dem Meißel kann ich nicht viel ausrichten, also wieder Löcher bohren und diese dann mit "Sprengbeton" füllen. Ca. 20 Löcher mit einem Durchmesser von 25 mm, dann kann ich wieder eine Lage des massiven Felsens hinterm Bad loswerden. Über die gesamte Länge des Hauses ist das dann etwa 4 mal so viel...ich komme mir vor, wie das Vögelchen, das alle hundert Jahre seinen Schnabel am Berg der Ewigkeit wetzt! Eine Sisyphus-Arbeit! Ein einziges Loch zu bohren dauert (ohne Pausen) 10 min. Geduld! Ich muss mich wohl darin üben, es hilft alles nichts. Während die Maschine arbeitet kann ich ja ein wenig auf den Bohrer achten. An machen Löchern verkeilt er sich und schlägt mir fast die Maschine aus der Hand. Es ist, als würde der Bohrer von starkter Hand festgehalten werden. Dann wiederum hämmert er sich durch den harten Fels, wie durch Butter. Und manchmal geschieht irgendwie gar nichts, der Bohrer dreht sich, geht aber nicht voran. Ich vermute, dass er dann auf eine weiche, wasserführende Schicht gestoßen ist. Da durchzukommen ist schwieriger, als durch den festen Felsen. Ich wußte gar nicht. dass Fels so unterschiedliche Konsistenz haben kann?
Es ist eine üble, harte und dreckige Arbeit. Der feine Steinstaub vermischt sich mit den Wasserresten zu einer schmierigen, rutschigen Schicht. Ein Baatz! Der restliche Staub setzt sich am Haus und den Fenstern, in meinen Haaren und auf der Brille ab. Nachdem ich auf dem schrägen Fels mehrfach abgerutscht bin und mir das mit der schweren Maschine gefährlich vorkommt, baue ich mir um die Mittagszeit eine kleine Hilfsplattform.

Die Sonne hat jetzt richtig Kraft - die Mittagspause auf meiner Lieblingsbank lädt ein zu einem Nickerchen im Liegestuhl. Den ich nicht habe. Also auch kein Nickerchen. Auf dem Fjord ist Getöse - ein Schwarm Enten unterhält sich lautstark. Was es wohl so wichtiges zu schnattern gibt? Dazwischen höre ich metallisches Klappern, wie aus einem Schiffstank. Vielleicht kommt das vom anderen Ufer. Wie weit man wohl meine Bohrmaschine hört?
Das Licht ist so hell und klar, dass ich in den Bergen gegenüber Strukturen entdecke, die ich noch nie gesehen habe. In einer Bergflanke öffnet sich ein Trichter, der fast wie dein Vulkan aussieht. Ein andere Berg trägt ein Krönen, könnte auch ein riesiger Maulwurfshügel oder ein gekringeltes Hundehäufchen sein - der Phantasie sind keine Grenzen gesetzt.

Um fünf Uhr nachmittags mag ich nicht mehr. Der Rücken schmerzt von der gekrümmten Haltung. Also Schluss für heute. Der Sprengbeton muss aber schon noch vorher rein, damit er möglichst lange wirken kann - er braucht seine Zeit. "Trollkraft" heißt er. Die (Trollkraft) kann mein Freund Bene sicher auch brauchen - er kämpft derzeit heftig für seine Gesundheit.

Gegen 18 Uhr ist Schluss für heute. Ich bin kaputt und dreckig. Hägar sieht aus, als könne er noch einen Ausritt vertragen. Also aufsatteln, vorsichtshalber Angelrucksack aufsetzen und los. Auf dem Berg hier steht eine große weiße Kugel, die ein Funkmast sein soll. Da möchte ich hin. Mein Navi kennt den Weg, leider jedoch nicht die Schranke, die noch ein großes Stück vor dem Ziel den Weg versperrt. Laufen? Ist nichts für mich!
Dann schauen wir uns doch mal die Gegend auf der anderen Seite der Hauptstraße an. Sanfte grassbewachsene Hügel und viele verstreute Häuser und Höfe. Am "schwarzen See" kommen wir vorbei  seinen Namen trägt er zu recht. Scheint eine sehr moorige Gegend zu sein. Viel gibt es jedoch nicht zu entdecken, also schlagen wir noch einen Haken nach Ramsund, auf der äußersten Seite des Festlandes. Danach kommt nur noch eine etwas größere Insel, zu der eine Brücke hinüberführt. Dann ist Sackgasse.
Von der Brücke angeln? Das wollte ich schon immer mal. Ich habe das schon oft gesehen aber noch nie selbst probiert. Die Brücke ist ziemlich hoch, darunter liegt das Meer. An den tiefen Stellen liegt es tiefblau da, an den flacheren Sandbänken strahlt es in hellem türkis.

Der Köder fliegt gut, aber es sieht nicht weit aus. Die Schnur zischt von der Rolle - fast ist sie schon leer. Bereits nach wenigen Würfen zappelt was an der Angel. Jetzt hochholen! Aber wie? Die Rute biegt sich um 180 Grad, der Aufrollhebel ist viel zu kurz um das Gewicht anzuheben. Also lege ich die Angel beiseite und hole die Schnur mit den Händen ein. Dummerweise habe ich ausgerechnet heute keine Handschuhe dabei! Die Schnur schneidet mir in die Finger - aufgeben gilt nicht! Das muss ein ordentlicher Fisch sein! Ich kann ihn schon sehen, als er auf halbem Weg vom Haken rutscht und wieder ins Wasser fällt. Mist. Aber der nächste läßt nicht lange auf sich warten. Auch er kämpft heftig, Und wie kriege ich den raus? Vielleicht kann ich ihn ja auf der Brücke entlangführen bis zum Ufer? Keine schlechte Idee. Aber der Fisch kämpft heftig - er ist so stark, daß er mir den Köder samt Schnur abreißt und nun mit einem rosa Gummifisch im Maul in der Tiefe verschwindet. Ne, Freunde, so nicht! Nicht mit mir! Mein Jagdtrieb ist geweckt. Nach einigen Würfen interessiert sich wieder einer für meinen Köder. Ich sehe ihn an der Wasseroberfläche. Sieht nach einem kleinen Dorsch aus - vielleicht zu klein?
Egal, überlegen brauch ich nicht, denn er befreit sich auch selbst vom Haken. Dann scheint die Beißzeit vorbei zu sein. Auf der anderen Brückenseite möchte ich es zum Schluss nochmal probieren. Und - es beißt wieder einer! Mit meinen dicken Motorradhandschuhen hole ich die Leine ein - es entsteht ein riesieger Schnursalat. Manchmal denke ich, es hängt gar kein Fisch mehr an der Leine - sie läßt sich so leicht einholen. Das wird wohl ein mickriges Fischlein sein. Sehen kann ich es nicht, erst als es über dem Brückenrand erscheint. Ein Dorsch. Und ich bekomme ich am Haken bis über das Geländer - geschafft. Petri Heil! Gar keine so kleine Portion. Genau richtig für ein Sonntagsessen morgen. Ab nach Hause, es fängt an zu tröpfeln.

Hägar braucht nun dringend Futter und ich freue mich auf eine Tasse Kakao! Um 9 Uhr abends fahren wir an die Zapfsäule - trocken! Die Tanke hat soeben geschlossen. Keine Abendtrunk für Hägar und mich....
Am schmalen Sandstrand der Evenes Bucht nutzt ein Mädchen die Ebbe und trabt mir ihrem Pferd einen großen Zirkel auf einer Sandbank. Es wird dunkel.

Zum philosophieren ist es heute schon zu spät. Der Kopf ist ja auch oft genug anderweitig beschäftigt.

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