Donnerstag, 30. August 2018

Wetterkapriolen

aUm halb acht Uhr weckt mich ein Rumpeln, das Haus wackelt. Es wird doch nicht schon Frank mit dem schweren Erdräumgerät sein? Sofort nachschauen. Nein, natürlich nicht Frank - nur eine Sturmbö. Das Meer rauscht und schäumt, die Bäume biegen sich. Es beunruhigt zwar, aber wenn ich nicht da bin stürmt es sicher oft und heftig und da die Hütte immer noch steht, bin wohl nur ich das schwächste Element hier. Also cool bleiben.
Meine Lieblingsbank am Haus ist trotz Regen trocken, der große Dachüberstand macht's möglich. Da muss ich mich doch raussetzen! Wenn nicht jetzt im August, wann dann? Also hänge ich mir die "Spezial-Wind & Wasser-Decke" um, setz mich raus, genieße Wind und Wellen bei einer warmen Tasse Tee. Die Berge gegenüber sind im Nebel verschwunden, im Laufe des Frühstücks bläst der Wind die Wolken jedoch wieder ein Stück weit weg und ich kann die Umrisse schemenhaft erkennen. Die Grashalme auf dem Dach wedeln im Wind wie Haare, die in's Gesicht hängen.


Im Lauf des Vormittags hat der Wind abgeflaut, es herrscht das übliche feucht-trübe norwegische Wetter. Frank ist nicht erreichbar. So habe ich als erstes Hägar wieder flott gemacht (Batterie und Nummerntafel montiert) und seinen Zündschlüssel gesucht - hab ihn wie üblich zu gut versteckt. Ich bin sicher, er taucht dort auf, wo er hingehört! Kleine Änderung an einer Abwasserleitung, mitgebrachtes Werkzeug und Ersatzteile einsortieren und Gedanken darüber, wo ich die ganzen unterm Haus verstauten Sachen unterbringe, während die Fundamente repariert werden. Mir graut vor der Umräumaktion! Noch war glücklicherweise keine Zeit zum philosophieren - mein Kopf muss all die Spinnereien von gestern erst noch verdauen.

Um die Mittagszeit erreiche ich Frank und er "will versuchen, heute abend" noch vorbei zu kommen. Da bin ich ja mal gespannt!
Nach meiner ersten Einkaufstour (der Rema 1000 in Evenskjer ist leider immer noch nicht fertig) habe ich keine Lust mehr auf Arbeit - vielleicht sollte ich gleich mal noch fischen gehen? Das frische Brot mit gesalzener Butter und ein Stück Käse schmecken phantastisch - ich könnte mich reinsetzen! Danach gehe ich dann doch angeln, ich muss es einfach versuchen! Zwischendurch hat es abwechselnd geregnet oder gewindet. Die Wolkenwand ändert sich ständig und zieht rasch vorbei. Als ich zum Angelplatz zur Evenestangen rausfahre ist es trocken, kaum angekommen fängt es jedoch an zu nieseln. Leichter Wind sorgt für kleine Schaumkrönchen. Dennoch versuche ich mein Glück. Ich muss nicht lange warten, schon beim dritten oder vierten Wurf bleibt was hängen. Eine Makrele! Mal was Neues. Allerdings eine sehr kleine. Und gleich die nächste. Und noch eine - ein ganzer Schwarm dieser Makrelenbabies scheint da draußen wild auf meinen Köder zu sein.
Der Vorteil bei diesen kleinen Fischen ist, dass sie in meinen Räucherofen passen! Mit fünfen von ihnen fahre ich dann nach Hause. während der Angelei haben sich im Westen  aus den Wolken 2 parallele Streifen gebildet, die schräg auf die Erde verlaufen. Ich fürchte, das ist Regen - sieht aber wunderschön aus. Mist, ich habe zu lange gewartet - auf dem kurzen Weg den Berg hinauf zu Hägar erwischt mich ein Guß. Wenige hundert Meter später auf dem Heimweg bricht hinter mir die Sonne durch und wirft ein hartes klares Licht auf die schwarzen Wolken, die über meinem Hausberg "schwarzer Berg" hängen. Es ist ein sonderbares, mysteriöses Licht - ich liebe es! In den nächsten Stunden gehen die Kapriolen mit Regenbögen, Nebelwänden, strahlendem Licht, Regenschauern und Windböen weiter. Einfache oder doppelte Regenbögen wandern über Stunden hinweg von Narvik Richtung Balangen. Wild!
Zum Abendessen lasse ich mir 2 der geräucherten Makrelen mit Bratkartoffeln schmecken. Mangels Gewürzen habe ich die Fischbäuche mit etwas Lauch gefüllt - das schmeckt hervorragend! Einziger Wermutstropfen sind meine Zahnschmerzen, die ich kurz vor der Abreise zum ersten mal gespürt habe  das passt mir jetzt gar nicht!







So, jetzt bekommt ihr aber meine philosophischen "Wetterkapriolen" von gestern zu lesen. Die mussten heute erst etwas abkühlen - während der Rumsitzerei im Flugzeug und am Flughafen, haben sich in meinem Kopf folgende wilde Wetter abgespielt:

Blog ist ein Kunstwort und bedeutet Web-Logbuch, wobei ein Logbuch ja ein Tagebuch ist. In diesem Sinne ist ein Blog also ein öffentliches Tagebuch. Tagebuch ist aber etwas sehr Persönliches. Ich habe von meinen Lesern die Rückmeldung bekommen, dass ihnen meine Geschichten besser gefallen haben, wenn sie persönlich waren. Darum werde ich mich dann eben trauen, meine persönlichen Gedanken öffentlich zu machen. Also, erwartet etwas anderes als bisher - niemand muss es ja lesen.
Diese Reise steht eher unter dem Stern, eine innerliche Reise zu werden. Die äußeren Bedingungen lassen keine großen Abenteuer erwarten, die inneren schon....
Als ich vor Jahren am burnout gelitten habe, habe ich diese Reise nach innen begonnen. Es war in der Tat eine gefährliche Reise und ich habe schmerzhafte Kämpfe ausgestanden. Irgendwann habe ich das Kapitel dann geschlossen und die Reise nicht beendet. 
Vor einiger Zeit bin ich über eine Thematik gestolpert, die mich sofort fasziniert hat - den persönlichen Grundton. Mittlerweile habe ich mich dazu ein wenig eingelesen und entdecke täglich neue spannende Verbindungen, Erkenntnisse, Möglichkeiten. Ich werde wohl meine innere Reise wieder aufnehmen. Mein Vehikel ist diesmal nicht meine treue Lisl, auch kein Psychologe sondern mein eigener Grundton. Ich bin selbst sehr gespannt, was ich auf dieser Reise erleben und wem ich begegnen werde. Vielleicht habt Ihr selbst schon mal erfahren, welche Überraschungen einem das eigene ich bereitet, wenn man auf Fragen antworten soll, die man sich selbst nie stellt? Weil man sich nicht traut, es für überflüssig hält oder einfach gar nicht auf die Idee kommt.

So wie auf meinen Motorradreisen die Straßen unter den Rädern dahingleiten, wie ich dann nichts zu tun habe außer schauen und die Eindrücke genießen, so fliegen mir jetzt die wildesten Gedanken zu, während das äußere Leben seinen mehr oder weniger geordneten Gang geht. Mein Kopf ist zu klein für die Ideen und Gedankenblitze, ich werde sortieren und aussortieren müssen. Meine ausgeprägte Vergesslichkeit kommt mir dabei zu Gute.

Klingt alles ziemlich undefiniert für Euch? Ja, für mich auch. Ich kann Euch an ein paar philosophischen Gedankengängen teilhaben lassen - keine Angst, die Frage nach dem Sinn des Lebens stellt sich mir nicht.
Der Zündfunke sprang über, als ich etwas gelesen habe über die Verbindung von "Materie ist nur Schwingung", einem persönlichen Ton und dem Wissen um die Resonanz. Ich konnte mir schnell vorstellen, dass mein eigener Körper vielleicht seltsame Dinge tut, wenn er in Resonanz gerät. Diese seltsamen Dinge will ich kennenlernen. Angeblich sind diese Dinge sehr heilsam und man kann vielleicht damit sogar Sachen erreichen, die einem sonst niemals gelingen würden. "Mens sana in corporis sano" beschreibt einen bekannten aber nicht allenthalben anerkannten Zusammenhang zwischen Körper und Psyche. Man denke nur an "psychosomatische Störungen" und an alternative Heilmethoden, die von der Schulmedizin verleugnet werden. Oder an manchmal kindergartenmäßig anmutendes rationales Vorgehen in der Verhaltenstherapie, das trotzdem irrationale Effekte zeigt. Mit dem Wissen um den Grundton verschmelzen Körper und Geist zu einer logischen und erklärbaren schwingenden Einheit, die auch mir eingängig ist.

Ich habe mich noch nie näher mit indischen Lehren, chinesischer Medizin oder Yoga beschäftigt. Das alles köchelt in dem Hokus Pokus Topf vor sich hin. Das wenige davon, das mir bisher begegnet ist, bekommt aber plötzlich einen Sinn. Warum fällt ein Apfel auf den Boden und nicht ins Weltall oder warum bleiben die Menschen auf der anderen Seite der Welt auch am Boden haften? Die Erklärung lieferte erstmals ein Denkmodell, das Newtonsche Gravitationsgesetz. Vermutlich hat sich diese Frage vorher einfach niemand gestellt. Man hat es einfach genommen wie es war. Ähnlich verhält es sich wahrscheinlich mit den Hokus Pokus Dingen die mein kleiner Ingenieursverstand nicht begreifen kann. Also muss ich wohl bis auf Weiteres manche Dinge einfach mal akzeptieren und nicht verstehen. Zumindest so lange, bis ich dafür ein verständliches Denkmodell finde...

Noch ein Beispiel: zu Zeiten der Gebrüder Grimm scheint ein Sandkorn die kleinste vorstellbare Maßeinheit gewesen zu sein. Unteilbar! Nun muss man sich nur mal die Stationen der Physik anschauen und die jeweils kleinste messbare Einheit: Molekül, Atom, Proton/Elektron/Neutron. Oder sind das gar keine Teilchen, sondern nur Wellen? Quanten? Ich bin da sicher nicht kompetent, aber es scheint, dass mit zunehmendem Wissen einfach nur die absolute Grenze des "Unteilbaren" verschoben wird. Vielleicht gibt es ja gar keine absolute Grenze und das Spielchen geht endlos weiter so?

Wenden wir den Blick in die andere Richtung, in das Universum. Von dort draußen betrachtet sind vielleicht wir Menschen das kleinste unteilbare Wesen? Oder doch nicht? Wir wissen doch, wir bestehen aus vielen Körperteilen. Aus was noch? Ist das alles? Gibt es noch was, das zumindest ich nicht kenne? Andere sind da schon schlauer und reden von einem Energiefeld, Feinstofflichkeit, Seele..... Ob die Atome in unserem Körper wohl eine Vorstellung davon haben, wie ihr Mensch aussieht?

Ein neuer Gedankengang: die Firma in der ich arbeite, möchte ich einmal als Organismus bezeichnen. Ich finde, man kann vieles, was man am eigenen Leib erfährt darauf extrapolieren.
Mit dem Kopf durch die Wand - so kennen mich viele Mitmenschen. "Schnell" ist mein zweiter Vorname - so kenne ich mich selbst. Manchmal bin ich mir sogar selbst zu schnell. Blitzschnell reagieren meine Synapsen und befeuern mich mit Ideen und Gedanken (so wie gerade). Da kommt mein träges Ich nicht mit...ich muss mich anderweitig beschäftigen, damit das Blitzlichtgewitter im Hirn Ruhe gibt. So war das auch schon z.B. auf meiner Amerika-Tour; ich habe oft genug meinen Kopf angeherrscht, jetzt endlich mal Ruhe zu geben. Langeweile fördert die Kreativität - in meinem Fall wohl kontraproduktiv.
Ich lerne, dass es deutlich weniger Kraft kostet, einen Gedanken zu säen und dann abzuwarten, bis er aufgeht und Früchte trägt.
Meine Firma rennt aktuell auch mit dem Kopf gegen die Wand. In Taskforces ohne Ende werden die Mitarbeiter verheizt, läuft die Firma ins burnout. Die Firmenkultur lässt keine Zeit. Operative Hektik ersetzt geistige Windstille! Außerdem kann man als Mitarbeiter sein Gedankengut ja nicht einfach so den Kollegen überlassen - denn dann machen die damit "Karriere" und ernten die Früchte!? Zum Glück muss ich selbst dieses Spiel nicht mehr mitmachen - ich verpasse nichts mehr. Meine Tage in der Firma sind gezählt und ich kann entspannt meine Gedanken zur Verfügung stellen.








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